Rassetypische Merkmale
Sehr häufig werden wir gefragt, welche Hunderassen vermutlich in dem auserwählten Vierbeiner stecken. Hierbei ist es nur allzu verständlich, dass die neuen Familien gerne so viel wie nur möglich über ihr neues Familienmitglied erfahren möchten. Darüber hinaus bieten die Rassezuordnungen wenigstens einen kleinen Anhaltspunkt bei der Einordnung des Wesens der Tiere. Leider ist die Beantwortung der Frage nicht so leicht wie gedacht.
Bei den meisten unserer Schützlinge handelt es sich nämlich um Fundtiere. Nur wenige sind wirkliche Abgabetiere, wo wir den*die Vorbesitzer*in kennenlernen. Dies bedeutet, dass wir fast nie das Mutter- und Vatertier kennen und diese in den wenigstens Fällen dann auch noch reinrassig sind. Deshalb ist es äußerst schwierig verlässliche Aussagen über die Rasse unserer Hunde zu treffen. Da hier aber oftmals ein begriffliches Durcheinander herrscht und es darüber hinaus wichtig ist, einschätzen zu können, was einen erwartet, möchten wir im Folgenden gerne die unserer Meinung nach wichtigsten Eigenschaften verschiedener Rassen bzw. Rassegruppen kurz umreißen.
Jagdhunde
Beginnen wir mit einer bekannten Gruppe. Dem Jagdhund. Vom kleinen Dackel bis hin zum riesigen Münsterländer lassen sich in dieser großen Gruppe sehr viele Rassen wiederfinden. Diese Hunde wurden gezüchtet, um dem Menschen bei der Jagd zu helfen. Seine Aufgabe ist es den Menschen zu begleiten und die Beute aufzuspüren, zu fangen, zu erlegen oder festzuhalten. Man kann sie noch einmal in mehrere Untergruppen unterteilen. Grob könnte man mit diesen beiden beginnen: Die Spürhunde (arbeiten mehr mit ihrer Nase) und die Windhunde (arbeiten mehr auf Sicht). Aber auch Einteilungen wie Vorstehhund, Stöberhund, Erdhunde, Schweißhunde, Laufhunde und Apportierhunde sind zu finden. Die Gruppen sind mit unterschiedlichen Jagdtechniken ausgerüstet.
Typische Eigenschaften:
- intelligent
- zielstrebig
- selbstständig
- aufmerksam
- jagdlich motiviert
- menschenfreundlich
- haben keine Scheu ein Beutetier zu erlegen
- manche Rassen sind sehr bellfreudig
- manche Rassen haben ein überschäumendes Temperament
- manche Rassen sind stur und eigensinnig
- Spürhunde wollen mit der Nase arbeiten
- Windhunde brauchen viel Bewegung
Hütehunde
Zu den Hütehunden gehören bekannte Rassen wie der Border Collie und der Australian Shepherd. Sie wurden ursprünglich dafür gezüchtet gemeinsam mit dem Hirten dafür zu sorgen, dass die Herde zusammenbleibt oder sicher von einem Weideplatz zum nächsten gebracht wird. Diese ursprüngliche Aufgabe wird heute im familiären Umfeld leider oftmals unterschätzt. Diese Hunde brauchen eine gute mentale und körperliche Auslastung. Wenn dies gegeben ist, sind sie verträgliche und gelassene Lebensgefährten, die mit ihrer ausgeglichenen Art überzeugen. „Aufgabenlos“ sollte der Hütehund allerdings nicht sein. Ohne Beschäftigung kommt es hier schnell zu unerwünschtem Verhalten wie dauerhaftem Bellen, Beinezwicken, Ressourcenaggression, etc.
Typische Eigenschaften:
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selbstbewusst
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wesensfest
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ausgeglichen bei entsprechender Auslastung
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sensibel
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feine Kommunikation
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ausdauernd
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arbeitsfokussiert
Herdenschutzhunde
Gerade um den Herdenschutzhund (HSH) kursieren viele negative Gerüchte. Manchmal könnte man sogar meinen er wird der neue Listenhund. Und da auch gerade in Süditalien immer wieder HSH und HSH-Mischlinge vorkommen, ist es uns ein besonderes Anliegen auch über sie hier zu sprechen. HSH wurden dazu gezüchtet selbstständig Rinder-, Schaf- oder Ziegenherden und die dazugehörigen Menschen zu bewachen und beschützen. Um diese Aufgabe zu meistern, müssen diese Hunde ein hohes Maß an Selbstständigkeit und Durchsetzungsvermögen mitbringen.
Den HSH kann man nicht unbedingt mit Leckerlies bestechen, man muss ihn überzeugen. Besonders gefährlich ist es ihm mit Gewalt oder übermäßiger Dominanz zu begegnen. Das kann beim HSH schnell nach hinten losgehen. Man sollte ihm – wie unserer Meinung nach jedem Hund – mit Respekt und auf Augenhöhe gegenübertreten und sich sein Vertrauen verdienen. Man muss sich dieses hier vielleicht härter verdient machen als bei anderen Rassen. Doch wenn man dies schafft und der HSH entscheidet einem zu folgen, hat man in ihm einen unglaublich tollen und treuen Begleiter gewonnen, der sein Handeln stets nach dem Menschen richten wird, statt selbst zu entscheiden.
Auch hier kann es natürlich bei nicht artgerechter Haltung zu problematischem Verhalten kommen. Im falschen Umfeld können HSH, wie auch die Hütehunde, anfangen ihre Menschen oder Gegenstände zu verteidigen.
Fun fact: Herdenschutzhunde sind eine der wenigen Rassen, die artübergreifende familienartige Bindungen eingehen können.
Typische Eigenschaften
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groß und kräftig
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intelligent
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eigensinnig
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ausgeprägte Persönlichkeit
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feinfühlig
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witterungsunempfindlich
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bei artgerechter Auslastung zu Hause ruhig und gemächlich
Fazit
Ihr seht, alle Hunderassen wurden ursprünglich zu einer bestimmten Aufgabe gezüchtet. Und auch in unserer Familie muss ein Hund demnach artgerecht beschäftigt werden. Klar ist, die Rasse „Familienhund“ gibt es nicht. Jede Rasse und sämtliche Mischlinge daraus können in der richtigen Familie ein tolles Familienmitglied werden, wenn die jeweiligen Bedürfnisse erkannt und befriedigt werden und dem Tier eine artgerechte Haltung ermöglicht wird. Verhaltensauffälligkeiten oder „Problemverhalten“ ist keine Charaktereigenschaft einer bestimmten Rasse, sondern ein Resultat von vom Menschen missverstandenen oder unbefriedigten Grundbedürfnissen des Hundes. Der Mensch entscheidet sich dafür, dass ein Tier Teil der Familie werden darf. Der Hund kann hier nicht mitentscheiden. Dementsprechend hat unserer Meinung nach der Mensch auch die Verantwortung ausreichend über sein neues Familienmitglied zu lernen, sodass er ihm ein artgerechtes Leben bieten kann.